Gastbeitrag Stephanie Esser

Die "Schreberin" bei der Arbeit (Foto: privat)

Die „Schreberin“ bei der Arbeit (Foto: privat)

Winterzeit, Gabenzeit – die heuer bis in den Januar hineinreicht. Warum? Weil im besten Textfrauen-Netzwerk der Welt – texttreff – noch immer gewichtelt wird. Mit WORTEN. Dazu beschenkt jede Teilnehmerin ein Blog mit einem Gastbeitrag und bekommt wiederum von einer dritten Partei ein Posting verehrt.
Welches Präsent könnte da passender sein als eine Rezension? Stephanie Esser, die am Tag Texte schön macht, abends liest und sich ansonsten als „Schreberin“ betätigt, über: ,„Unter allen Beeten ist Ruh“

auerbachkeller_unterallenbeetenistruh_165_250Auerbach & Keller: Unter allen Beeten ist Ruh
(1. Band)
List TB
ISBN 978-3-548-61037-5

Ganz schön was los auf Schreberwerder

Pippa Bolle folgt der Einladung, einen Garten samt Laube zu sitten, und zieht mit Sack, Pack und mehreren Hüten nach Schreberwerder in den Havelgewässern Berlins.

Diese Insel ist der Traum aller Kleingärtner (alle sind Eigentümer ihrer Parzelle und damit nicht dem Bundeskleingartengesetz unterworfen. Haben die es gut… – Anm. der Schreberin). Schreberwerder ist für die Bewohner_innen ein ganz besonderer Ort – wenn auch aus den unterschiedlichsten Gründen…

Ahnungslos gerät Pippa in diesen Kleingärtner-Mikrokosmos. Sie begegnet lebhaften Familien, Berliner Originalen, einer würdigen alten Dame sowie einem Künstler namens X und wird zum Hassobjekt einer liebestollen Frau. (Ganz schön was los auf Schreberwerder! Dagegen kommt mir meine Kolonie vor wie ein Finanzamt nach 16 Uhr. – Anm. der Schreberin)

Gleich zu Anfang erfahren wir, dass einer der Bewohner die Insel in ein „Hanf-Ressort“ umwandeln möchte und dafür allen Besitzern ihre Parzellen abkaufen will. Die meisten weigern sich standhaft und bisweilen auch tatkräftig, eine lässt sich vom windigen Spekulanten umgarnen und manche sehen irgendwann keine andere Möglichkeit, als zu verkaufen.

So bunt die Szenerie auch geschildert wird, haben mich im ersten Drittel doch vor allem die überflüssigen Dialoge gestört. Es werden Dinge besprochen, die die Figuren längst wissen und über die sie in der Form nicht mehr reden müssten. Die Infos hätte man auch eleganter an die Leserin bringen können. So klingt es einfach nur hölzern und bemüht.

Dann gibt es die erste Tote. Der Fall scheint klar und haut mich nicht vom Hocker.
Dann gibt es den zweiten Toten. Der Fall scheint klar und reißt mich immer noch nicht so richtig mit.

Dann gibt es einen dritten Toten – und was eher gemächlich und ziemlich unspektakulär begann, nimmt nun doch an Fahrt auf. Mit der Zeit bekommt nahezu jede Bewohnerin und jeder Bewohner von Schreberwerder ein Mordmotiv.

Das ist es auch, was mich bis zum Schluss hat durchhalten lassen: Wer war es denn nun? Stellenweise traut man es jedem und jeder zu, sei er oder sie auch noch so sympathisch. (Die Lösung des Falls schließlich hat mich dann aber leider weniger aufgewühlt als die Maus, die sich im Spätsommer auf unserer Parzelle in den Tod gestürzt hat. – Anm. der Schreberin)

Wer Schrebergärten mag, wird das Setting lieben und so manches Gartenthema wiedererkennen. Auch wenn die normalen Bundeskleingarten-Schreber_innen wohl keine Badewannen in ihren Lauben stehen haben und wahrscheinlich nicht mit einem Schiff auf Parzelle fahren.

Schreberinnen-Fazit: leichter Landhauskrimi, der sich easy und cosy an einem heißen Kleingarten-Wochenende in der Hollywoodschaukel weglesen lässt.

Stephanie Esser ist Freiberuflerin. Tagsüber schreibt, lektoriert oder korrigiert sie unter www.textschliff.de Texte. Abends liest sie Bücher. Und seit einem Jahr bloggt sie über ihr Schrebergarten-Experiment: 300-qm-Parzelle mit 18-qm-Laube, Rasen mähen und Stauden pflegen, Bäume beschneiden und Äpfel ernten, Vereinsmeierei in der Kolonie, im Sommer täglich gießen fahren.

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