Interview Billie Rubin

© Sandra Elettrico

Manche kennen die Wahl-Münchnerin als „Ute Hacker“, ihr Krimi-Pseudonym allerdings lautet „Billie Rubin“.

Warum ihre Charlotte „Charly“ Braun-Reihe in Nürnberg spielt, wie sie und die Figur dieser Personenschützerin überhaupt zusammenfanden und was sie bei den Recherchen zum 4. Band „Böse Barden“ (erschienen im Juni 2018) erlebt und gelernt hat, erzählt die Autorin im Interview mit Krimi-Forum.de.

Zu Beginn drei Fragen. Alle haben mit Ihnen bzw. Ihren Werken zu tun.
Was ziehen Sie vor und warum?

a) Deutschland oder England?

Sehr schwere Frage! Ich liebe England, das heißt, natürlich liebe ich das Vereinigte Königreich. Meinen diesjährigen Urlaub habe ich in Wales verbracht. Tolle Landschaft, traumhafte Gärten, wunderschöne Häuser! Sehr inspirierend! Kein Wunder, dass es so viele gute Krimis von dort gibt – sowohl Bücher als auch Serien.

Ich finde die Briten viel entspannter als die Deutschen – was aber natürlich auch daran liegen kann, dass man beim Aufenthalt dort meist selbst entspannt ist. Ob das im Alltag anhält, wäre die große Frage.

Unterm Strich fühle ich mich in Deutschland sehr wohl und werde deshalb hierbleiben.

b) München oder Nürnberg?

Eindeutig München. Ich lebe seit über 40 Jahren hier, habe hier den größten Teil meines Freundeskreises, kurz: Es ist meine Heimat.
Dank der Recherchen für die Krimis habe ich aber Nürnberg wieder neu entdeckt. Dort leben möchte ich aber nicht, zumindest derzeit nicht.

c) Polizeidienst oder private Sicherheitsbranche?

Polizeidienst. Als Teenager wollte ich sogar zur Polizei, da gab’s aber leider einen Aufnahmestopp. Jetzt schreibe ich eben drüber.


Im Zentrum Ihres aktuellen Romans „Böse Barden“ steht (zum vierten Mal) Personenschützerin Charlotte »Charly« Braun.
Wann und warum trat sie in Ihr Leben?

Charly begleitet mich schon sehr lange. Wie lange genau, kann ich nicht sagen, aber es sind mindestens fünfzehn Jahre. Eines Tages war sie da und mir war sofort klar, dass sie zur Serienfigur taugt. Jahrelang existierte sie nur als Phantom in meinem Kopf, weil andere Projekte wichtiger waren, aber dann kam die Anfrage, einen Nürnberg-Krimi zu schreiben, und sie bekam ihre Chance. Es hat dann trotzdem noch einige Jahre gedauert, bis der erste Krimi mit ihr entstand, denn aus dem ersten Krimi-Projekt wurde nichts.

Charly hat ja schon einiges hinter sich – die Witwe eines Polizisten war ursprünglich selbst als Kommissarin tätig, bevor sie sich aus Mobbinggründen für einen anderen Berufsweg entschied.
Haben Sie Ihr aus dramaturgischen Gründen dieses Schicksal angedeihen lassen oder basiert das auf Erkenntnissen durch persönliche Recherchen?

Weder noch. Es sind die Erfahrungen eines Freundes, der einen mobbenden Kollegen hatte. Ich arbeitete zu der Zeit gerade an den Kurzgeschichten für die Anthologie „High Noon in München“ und brauchte einen neuen Text. Charly bot sich an und bekam Leander verpasst. Dass das den Grundstein für den Umzug nach Nürnberg legte, war mehr glückliche Fügung als echte Planung.

Tatsächlich gibt es in der Kriminalliteratur deutlich mehr weibliche Ermittlerinnen als Bodyguards, insofern ist die Figur auf jeden Fall eine Bereicherung für die Krimilandschaft.
Was würde Sie selbst an einem solchen Job reizen?

Vielen Dank! Ich bin mir nicht sicher, ob ich den Job wirklich machen möchte. Er ist mit sehr viel Nichtstun verbunden, gleichzeitig muss man immer wachsam sein. Geduld ist nicht gerade meine herausragendste Eigenschaft, ich wäre also vermutlich keine gute Personenschützerin. Und die Nähe zu der zu beschützenden Person wäre auf Dauer auch nichts für mich.

Darüber schreiben finde ich jedoch sehr faszinierend.

Hat Billie Rubin trotzdem spezielle Fähigkeiten, die sie für diese Tätigkeit qualifizieren würden? Kampfsporterfahrung vielleicht?

Ha! Das ist etwas, was Charlotte und mich unterscheidet: Ich bin absolut unsportlich! Uns gemein ist eine gewisse Trägheit, die Charly zwangsläufig überwinden muss, um nicht ständig vermöbelt zu werden.
Ich muss jedoch zugeben, dass ich durch die Krimis durchaus auf den Geschmack kommen könnte – wäre da nicht ein kaputtes Knie, das sowohl Joggen als auch Kampfsport unmöglich macht.

Um noch einmal auf „Böse Barden“ zurückzukommen: Schön ist ja, dass auch Charly sich in viele Aspekte dieser „jungen“ Musikrichtung erst einarbeiten muss und auf diesem Weg ihre Leserschaft mitnimmt, ohne zu viel Grundwissen vorauszusetzen.
Was hat Sie bei und nach der Recherche in diesem Genre am meisten beeindruckt?

Dass es eine unglaubliche Bandbreite gibt. Leute, die HipHop nur aus dem Radio und von den Schlagzeilen kennen, denken, es gibt nur Rapper wie Bushido, Sido und Co. Aber da ist so viel mehr, und es lohnt sich wirklich, hinter die Fassade zu schauen.

Ich dachte, ich recherchiere ein bisschen im Internet, das passt schon. Aber dann wurde es mehr und mehr. Ich ging zu Konzerten, kaufte mir CDs, abonnierte Newsletter – und traf zum Glück Achim Seger, einen Münchner Autor und Rapper, der mir einen Schnellkurs in Sachen HipHop verpasste.

Gelernt habe ich auch, mich mit Rap-Texten zu beschäftigen. In meiner Naivität dachte ich, das muss sich halt reimen, dann habe ich einen guten Rap – weit gefehlt! Mein Respekt vor Rappern – männlichen und weiblichen – ist sehr gewachsen.

Hat sich Ihr Musikgeschmack dadurch verändert?

Definitiv. Ich höre inzwischen HipHop, wenn auch sehr ausgewählte RapperInnen. Das Problem ist, dass man diese Musik nicht nebenbei laufen lassen kann, zumindest nicht, wenn deutsch gerappt wird. HipHop ist zeitintensiv.

Und welche real existierende Künstlerpersönlichkeit würden Sie Ihre Heldin gern beschützen lassen, wenn sich dadurch die Chance ergäbe, ihn/sie „in echt“ kennenzulernen?

Puh, sehr schwere Frage. Da gäbe es einige auf der Liste. Wobei ich die Erfahrung gemacht habe, dass die scheinbar spannenden Menschen aus der Nähe betrachtet eher langweilig sind.
Müsste ich mich entscheiden, würde ich derzeit Herbert Grönemeyer wählen – aufgrund seiner politischen Aktivitäten.

Wenn Sie für einen Nürnberg-Besuch eine der im Roman erwähnten Locations empfehlen sollten – welche wäre das und warum?

Selbstredend die Altstadt – allen voran Trödelmarkt und Henkersteg. Beim richtigen Wetter (Sonne, tiefblauer Himmel, 25° C) zeigt Nürnberg sich da von seiner schönsten Seite.

Der Roman – so viel dürfen wir verraten – endet mit einem unglaublichen Cliffhanger. Haben Sie sich bereits entschieden, wie die Sache ausgehen wird oder lassen Sie sich das im Moment selbst noch ganz offen?

Es gab einen konkreten Plan, der vom Verlag aber eher verhalten aufgenommen wurde. Wir haben einen guten Kompromiss gefunden – der jetzt möglicherweise erst mal auf Eis gelegt wird, denn bei meinem letzten Nürnberg-Besuch kam eine neue Idee dazwischen. Jetzt muss ich erst mal wieder recherchieren. Die grobe Richtung ist aber bekannt und bleibt.

Sie legen bei Ihren Recherchen viel Wert auf Kontakt zu „echten“ Beamten – immer wieder waren Sie in diesem Zusammenhang zu Besuch im Bayerischen Landeskriminalamt.
Verraten Sie uns, wobei Sie sich von den dortigen Kollegen und Kolleginnen besonders gern unterstützen lassen und welche Erfahrungen Sie dabei gemacht haben?

Das LKA-Presseteam macht einen tollen Job! Jede Anfrage wird in kürzester Zeit beantwortet.

Mein Hauptkontakt ist inzwischen zwar im wohlverdienten Ruhestand, aber wir treffen uns zwei- bis dreimal im Jahr zum Essen und Reden. Er hat mir für „Dunkle Rache“ den Kontakt zum Verfassungsschutz ermöglicht, wodurch ich sehr wertvolle Informationen erhalten habe. Außerdem waren wir gemeinsam beim Personenschutz; was ich dort gelernt habe, ist der Grundstock für Charlys Arbeit.

DANKE für das Gespräch!
Mit Ute Hacker mailte sehr gern Chefredakteurin Michaela Pelz (Oktober 2018)

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