TV-Produzentin Silke Pützer im Gespräch

Silke Pützer (Foto: privat)

Wenn am Montag, 3. Februar 2020 um 20:15 Uhr im ZDF der „Fernsehfilm der Woche“ läuft, dann wird eine ganz besonders auf die Reaktionen der Zuschauer*innen und Kritiker*innen gespannt sein: Silke Pützer.

Mit ihrer mittlerweile mehr als 25-jährigen Film- und TV-Erfahrung ist sie seit 2009 als Produzentin bei Network Movie Köln für unterschiedliche fiktionale Projekte zuständig.
So auch für „Tage des letzten Schnees“ (in der Mediathek verfügbar bis 26.04.2020).

Mit Chefredakteurin Michaela Pelz spricht die Filmfachfrau über die Herausforderungen bei der Adaption von Romanen, eine singuläre „Gruppenarbeit“ der Akteure beim Dreh von „Tage des letzten Schnees“ und über den Unterschied zwischen der Arbeit von Produzentin und Producerin.

Frau Pützer, der Film basiert auf einem Roman von Jan Costin Wagner.
Wie findet man als Produzentin Bücher, die sich für eine Verfilmung eignen könnten?
Grundsätzlich lesen wir sehr gerne und auch sehr viel, halten Kontakt zu Autor*innen, Agenturen für Filmstoffe und zu Verlagen. Außerdem sichten wir frühzeitig die Filmstofflisten. Besuche der Buchmesse gehören ebenso zu unseren Tätigkeiten, wie die stetige Beobachtung des Buchmarktes. Manchmal liest man aber auch privat ein Buch und entdeckt, dass die Geschichte sich für eine Verfilmung anbietet.
Im Fall von „Tage des letzten Schnees“ hat Reinhold Elschot, der ehemalige Fernsehspielchef des ZDF, den Roman entdeckt und gelesen. Er war Initiator der Idee, ihn zu adaptieren und fürs ZDF als „Fernsehfilm der Woche“ umzusetzen. Das ZDF hat sich dann um die Verfilmungsrechte bemüht und parallel hat Reinhold Elschot mir den Roman empfohlen. Er war es also, der diesen wunderbaren Stein ins Rollen gebracht hat.

Viele Menschen denken ja, ein Buch „einfach“ in bewegte Bilder umzusetzen, sei kein Kunststück. Wie verhält es sich wirklich? Was passiert hinter den Kulissen, was gilt es zu bedenken und zu beachten, wenn man sich für einen potentiellen Stoff entschieden hat?
Vom Roman zum Film ist es meist ein längerer Weg. Wichtig ist erst einmal, dass man eine Beziehung zu der Geschichte und den Figuren aufbaut. Und es müssen schnell Bilder im Kopf entstehen. Stellt sich dieser Zustand ein, ist das schon ein erster, sehr glücklicher Umstand.

Das alleine reicht aber für ein Adaptionsvorhaben noch nicht aus. Die Frage, ob man den Fernsehzuschauer damit erreichen, unterhalten und begeistern kann, ist existenziell wichtig, denn schließlich machen wir Filme für unser Publikum.

Der Erfolg oder die Verkaufszahlen eines Romans geben darauf natürlich einen ersten hilfreichen Hinweis, aber entscheidend ist die Frage, ob aus einem Roman ein Drehbuch werden kann. Wir greifen ja gegebenenfalls massiv in die Arbeit des Romanautors ein, denn es muss gelingen, sein Werk in 90 Minuten Filmzeit zu packen.

Die Buchvorlage von einem Medium ins andere zu übertragen, ist eine große Herausforderung und dabei kann es beispielsweise notwendig werden, auf ganze Handlungsstränge oder Figuren zu verzichten. Dieser Teil der Adaption ist der aufwändigste Arbeitsschritt, der in der Hand der Drehbuchautor*innen liegt und den ich unterstützend und analytisch begleite.

Im Gegensatz zum Film hat ein Roman einen entscheidenden Vorteil, der sich nicht visualisieren lässt: die Gedankenwelt der Figuren steht uns als Werkzeug beim Filmemachen nicht zur Verfügung.  Tolle, intensive und seitenlange Abhandlungen, in denen sich den Leser*innen die Gedanken der Romanfiguren öffnen, müssen wir szenisch und visuell aufbereiten und in Bilder, Stimmungen, Emotionen und Dialoge umwandeln. Diese Analysearbeit und die Entstehung einer filmischen Vision, macht einen Roman dann im besten Fall zum Filmstoff.

Wäre es – gerade im Hinblick auf die unvermeidlichen Kürzungen – dann nicht sinnvoll, den Romanautor direkt das Drehbuch schreiben zu lassen?

Das ist nicht unbedingt eine Entscheidung, die ich ausschlaggebend beeinflusse.

Es gibt Romanautoren, die auch Drehbücher schreiben und es gibt Romanautoren, die das nicht möchten. Beide Varianten haben sicherlich ihre Vor- und Nachteile.

Ein Drehbuchautor nimmt den Roman erst einmal ganz unbefangen auf und schafft eine eigene Beziehung zu ihm und der Frage, wie er ihn verarbeitet.

Der Romanautor, der auch das Drehbuch selbst schreibt, muss hingegen von seinem Werk „zurücktreten“ können und die Bereitschaft haben, es umzuwandeln, umzuschreiben oder gar stark zu verändern.

In unserem Fall stand Jan Costin Wagner für das Drehbuch nicht zur Verfügung, da er mit der Arbeit an seinen Romanprojekten ausgelastet war. Da es diese Option also nicht gab, war es mein Wunsch, das Projekt gemeinsam mit Nils-Morten Osburg zu entwickeln, den ich sehr schätze und mit dem ich bereits zusammengearbeitet hatte.

(Foto: ZDF/Marion von der Mehden)


Wann wussten Sie, mit welchen Schauspielern Sie die einzelnen Rollen besetzen würden
?
Die Besetzung eines Films entsteht als Gemeinschaftsarbeit zwischen Regie, Redaktion, Caster und Produzent, vor allem aber ist der Regisseur Entscheidungsträger, denn er muss die Figuren lebhaft machen und mit den Schauspielern arbeiten.
Lars-Gunnar Lotz, unseren Regisseur, haben wir zu einem sehr frühen Zeitpunkt für die Regie verpflichten und mit ihm über die Besetzung sprechen können. Der Wunsch, Henry Hübchen und Bjarne Mädel in zwei der großen Rollen zu besetzen, hat sich sehr schnell in unseren Köpfen festgesetzt und ist bei einem gemeinsamen Brainstorming mit Lars-Gunnar Lotz, unseren Redakteurinnen Stefanie von Heydwolff und Karina Ulitzsch entstanden.
Flankiert werden wir bei diesen Gesprächen von unserer erfahrenen Casterin Sandra Köppe, die für diesen wichtigen Arbeitsschritt unabdingbar ist.
Barnaby Metschurat war uns aus einer besonderen Folge der „Soko Köln“ in bester Erinnerung und ich hatte ihn schon sehr früh beim Lesen für die Rolle des Vaters im Kopf.
Und Victoria Mayer kennen wir ebenfalls seit vielen Jahren und waren uns schnell einig, dass wir in ihr die perfekte Besetzung gefunden haben.

War beim Dreh mit dem Ensemble dann alles „Business as usual“?
Tatsächlich gab es bei den Dreharbeiten zu „Tage des letzten Schnees“ eine Besonderheit, die ich in dieser Form so auch noch nicht erlebt habe:
Wir erzählen ja in einem Film zwei Geschichten ganz unabhängig voneinander, die außerdem in unterschiedlichen Zeitebenen spielen. Dadurch gab es zwischen den Schauspielerinnen und Schauspielern der beiden Handlungsstränge während der Dreharbeiten auch keine Berührungspunkte oder Treffen. Sie sind sich nur beim Warm up und beim Abschlussfest begegnet und ansonsten eigentlich nicht. Nur Henry Hübchen, der den Kriminalhauptkommissar Johannes Fischer spielt, war in beiden Geschichten präsent.
Lars-Gunnar Lotz hat auch die Leseproben und Vorgespräche immer nur mit dem Ensemble der jeweiligen Geschichte geführt – also quasi in und mit zwei Gruppen gearbeitet.

Das dennoch absolut „aus einem Guss wirkende“ Endprodukt kann sich sehen lassen. Was hat Sie persönlich daran am meisten beeindruckt
Tatsächlich hat mich nicht nur der fertige Film beeindruckt, sondern jeder einzelne Arbeitsschritt war sehr besonders.
Die Arbeit mit Nils-Morten Osburg am Drehbuch habe ich als tolle und sehr intensive Zeit in Erinnerung, in der wir lebhaft nachgedacht, gesucht, verworfen und dann auch gefunden haben, worauf sich die Geschichte fokussieren soll und wie Nils sie erzählen wird. In diesem Prozess werden aus Tagen oft Monate – in unserem Fall waren es sogar zwei Jahre.
Auch die Vorbereitung mit Lars-Gunnar Lotz, der eine sehr bemerkenswerte filmische Vision ins Projekt eingebracht hat, darf nicht unerwähnt bleiben.
Die Freude darüber, dass Jan Costin Wagner sehr glücklich mit dem Drehbuch war und seine inspirierenden Gedanken vor Drehbeginn haben dem Projekt wichtige Impulse gegeben und mir einen ruhigen Schlaf beschert, denn in meiner Position ist das Feedback des Romanautors ein wichtiger Moment – schließlich soll es gelingen, den Geist des Romans in unseren Film zu transportieren.
Das intensive Spiel der Schauspieleinnen und Schauspieler, als ich die ersten Muster sehen durfte, haben mich sehr berührt. Es ist ein schönes Gefühl, wenn man das Drehbuch in die Produktion geben und damit auch ein Stück loslassen kann und dann aus 130 Seiten Papier eine lebendige Geschichte entsteht. Denn dann wird wahrhaftig, was vorher so lange theoretisch war. Und das ist in meinem Beruf immer noch das allergrößte Geschenk.

Sie waren als Produzentin mitverantwortlich für die viel beachteten Filme „Tod einer Polizistin“, „Ein großer Aufbruch“, „Ein Kommissar kehrt zurück“ und „Südstadt“ – im März folgt der mit Spannung erwartete Mehrteiler „Unterleuten“. Was war für Sie jeweils besonders spannend an diesen unterschiedlichen Projekten?

Es sind immer die Geschichten, die mich reizen und die Neugierde auf die Menschen, die im Mittelpunkt dieser Geschichten stehen und sie erleben.

Die unterschiedlichen Genres, die wir in den Filmen bedienen, sind natürlich auch ein Anreiz, denn die damit verbundene Abwechslung hält neugierig und ist immer wieder eine Herausforderung.

Die oben erwähnten Filme sind zudem unter der Regie von Matti Geschonneck entstanden, mit dem ich seit 10 Jahren immer wieder arbeiten und von dem ich sehr viel lernen durfte. Das war und ist nicht nur eine sehr große Freude, sondern auch eine besondere Bereicherung für mein Berufsleben.

Was aber alle Projekte vereint, an denen ich mitarbeiten darf, ist der feste Wunsch, unsere Zuschauerinnen und Zuschauer bestmöglich zu unterhalten.

Am Ende noch eine ganz banale Frage, die sich aber viele Menschen stellen, die nicht aus der Branche stammen: Was macht eine Producerin und was die Produzentin?

Hier in Deutschland sind die Übergänge mehr oder weniger fließend, wenn Produzenten – so wie ich – nicht gleichzeitig auch Geschäftsführer der Produktionsfirmen sind.

In meinem Team teilen wir die anstehende Arbeit nicht nach unserer vertraglich benannten Funktion auf, sondern nach anfallendem Aufwand und Kapazitäten. Das ist eine große Freude und echte Teamarbeit.

Als Produzentin trage ich dabei die Verantwortung für das Gesamtprojekt und muss im Zusammenspiel mit allen Beteiligten die Kommunikation führen.

Producer sind zum Beispiel auch oft an ein Projekt gebunden, wie z.B. eine Reihe oder eine Serie. Dann ist der Arbeitsaufwand so hoch, dass keine Kapazitäten mehr bleiben für Entwicklungsarbeit oder die Betreuung von Einzelstücken.

Meine Position bei Network Movie vereint beide Berufe in einem und gibt mir so die Möglichkeit, den gesamten Weg, den eine Produktion von der Entwicklung bis zur Fertigstellung nimmt, begleiten zu können.

Danke, dass Sie sich Zeit für unsere Fragen genommen haben!
(Mit Silke Pützer schrieb und sprach sehr gern Michaela Pelz im Januar 2020)

 

 

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