Große Unterhaltung: Inspector Foyle (Foyle’s War) Staffel 1

Eine hochgelobte und sehenswerte englische Krimi-Serie von Serienschöpfer Anthony Horowitz, die endlich in deutscher Übersetzung zu sehen ist und von manchen, nicht zu Unrecht als „echte Entdeckung“ gefeiert wird.

Das Setting ist ebenso ungewöhnlich wie der Protagonist, denn Detective Chief Superintendent Christopher Foyle ermittelt in einer außerordentlich geschichtsträchtigen Zeit: Man schreibt die 40er Jahre und der Zweite Weltkrieg ist auch im beschaulichen Hastings (Sussex) hautnah angekommen. Deswegen stehen manche Verbrechen – zumindest auf den ersten Blick – in enger Verbindung mit dem Kriegsgeschehen, mit Korruption, Schwarzhandel, Spionage …

Der Protagonist: Ein unaufgeregter, kluger, absolut nicht humorloser typischer Brite mittleren Alters. Dieser Christopher Foyle (Michael Kitchen – Jenseits von Afrika, James Bond – GoldenEye, James Bond – Die Welt ist nicht genug, My week with Marilyn), hat bereits im ersten Weltkrieg gekämpft und würde sich auch nicht scheuen, abermals gegen den Feind ins Feld zu ziehen, wenn man ihn nur ließe. Das allerdings passiert nicht, zu sehr wird er in seiner Heimatstadt Hastings als genialer Ermittler gebraucht. Zwar ist er keiner jener depressiven Helden, der seine negative Weltsicht im Alkohol ertränkt, aber sein Päckchen hat der Witwer dennoch zu tragen, ist sein Sohn Andrew (Julian Ovenden) doch auf dem besten Weg, als künftiger Kampfpilot aktiv ins Kriegsgeschehen eintreten zu müssen.

Ansonsten hat die Weltlage auch bei der Polizei Personalprobleme mit sich gebracht: Seine Jagd auf die bösen Buben und auch sämtliche Recherche muss der Inspektor allein durchführen, sogar die Berichte selbst tippen. Zu allem Überfluss kann er noch nicht einmal Auto fahren, was allerdings für seine Tätigkeit unerlässlich ist. Hier schafft sein Chef schnell Abhilfe, indem er jemanden von der Fahrbereitschaft abstellt: „Sam“ Stewart.

Dass es sich dabei um eine junge Frau handelt, Pfarrerstochter, in erster Hilfe ausgebildet, intelligent und weder schüchtern noch auf den Mund gefallen, ist für Foyle zunächst kein reiner Quell der Freude. Doch Samantha (Honeysuckle Weeks) hat am Ende schlagkräftige Argumente, gegen die er sich nicht wehren kann.

 

Auch hinsichtlich eines Assistenten tut sich etwas: Vom Krankenbett weg engagiert Foyle Detective Sergeant Paul Milner (Anthony Howell), den der Krieg bereits einen Unterschenkel gekostet hat. Der Mann ist klug und findig, doch in privater Hinsicht gibt es immer wieder Schwierigkeiten, denn seine junge Ehefrau hat große Schwierigkeiten mit seiner Invalidität.
So geht das Trio nun gemeinsam auf Mörderjagd – wird dabei immer wieder mit der starken, nachvollziehbaren Abneigung gegen die Deutschen konfrontiert, deren Bomben für Zerstörung und Chaos sorgen.

Die Deutsche (OT: „The German Woman“)
Nicht selten führt dies zu einem Generalverdacht gegenüber allen Menschen, die deutsche oder österreichische Wurzeln haben. Doch auch hier zeigt sich, dass manche gleicher sind als andere – je nachdem, über welche Verbindungen sie verfügen. So gerät beispielsweise gleich in Folge 1 der frühere Leiter der Wiener Philharmoniker nebst Gattin unter Spionageverdacht – der Mann benutzte einen Fotoapparat, stand in dubioser Korrespondenz mit den USA (er schickte Briefe an einen Schachfreund) und seine Ehefrau war dabei beobachtet worden, wie sie im Freien Wäsche zum Trocknen aufgehängt hatte. Die nachfolgende Internierung in ein Lager kostet diese das Leben und sorgt für große Bestürzung bei seinem Neffen, einem Soldaten.

 

Um seine Verwandten zu retten, spricht dieser seinen früheren Vorgesetzten an – doch der weigert sich, ihm zu helfen. Gleichzeitig lässt er all seine Verbindungen spielen, um der eigenen Gattin, die aus dem Sudentenland stammt, jene Behandlung zu ersparen, die allen Deutschstämmigen blüht. So malerisch die Landschaften, so idyllisch die Szenerie … beschaulich ist hier gar nichts. Zumal ein Bombenanschlag eine beliebte junge Frau das Leben kostet, was die Dorfbewohner kollektiv gegen „Die Deutsche“ aufbringt. Als sie stirbt, gibt es demzufolge zahlreiche Verdächtige – und auch innerhalb der Familie ist nicht alles eitel Sonnenschein …

Größer könnte ein Kontrast nicht sein als der zwischen Kriegswirklichkeit und einer Landschaft, die dort, wo das Grauen noch nicht die Oberhand gewonnen hat, so schön ist, dass man sofort hinfahren möchte. Tolle Bilder, spannende Handlung, Figuren, mit denen man schnell warm wird und an deren Schicksal man gerne weiterhin teilhaben möchte.
Eine Serie also, die man nach der ersten Folge garantiert nicht ausschaltet, vor allem aber alles andere als ein betulicher Landhauskrimi. Und das, obwohl Serienerfinder Anthony Horowitz neben seinen bekannten und beliebten Kriminalromanen auch für zahlreiche Inspector-Barnaby-Drehbücher verantwortlich zeichnete.

„Die weiße Feder“ (OT: The White Feather“)
Mittlerweile hat sich Sergeant Paul Milner zu einem wichtigen Teil des Teams entwickelt. Seine Behinderung allerdings führt nicht nur zu privaten Spannungen, sondern macht ihn auch zu einer leichten Beute für die Verführer des „Friday Club“, einer Vereinigung, die nicht nur die Gräuel des Krieges beklagt, sondern immer wieder die Frage aufwirft, ob sich denn England wirklich in diesen Konflikt einmischen musste und ob nicht sowieso bald alles mit einem Sieg der Deutschen zu Ende gehen wird.

Das ist der Hintergrund, vor dem sich im kleinen Landhotel „Die weiße Feder“ ein Mord ereignet, in dessen Zentrum – so scheint es – einer der glühendsten Verfechter dieser Haltung, der ebenso charismatische wie undurchsichtige Guy Spencer (Charles Dance) steht. Seine Anhänger rekrutieren sich aus allen Gesellschaftsschichten – irregeleitete, naive und einfache Menschen sind ebenso darunter wie hochrangige Vertreter aus Adel und Politik.

Auch dieser Fall ist facettenreich und packend geschildert. Besonders spannend, wie hier echte geschichtliche Ereignisse – unter anderem die große Rettungsaktion von Dünkirchen in die Kriminalhandlung eingewoben wurden.

 

 

„Eine Lektion in Sachen Mord“ (OT: „A Lesson in Murder“)

Echte historische Hintergründe bietet auch der dritte Fall der ersten Staffel. Während ringsumher der Krieg tobt, manche der jungen und nicht so jungen Männer (und Frauen) es kaum erwarten können, möglichst schnell möglichst viele Nazis auszulöschen, gibt es doch andere, die das Töten grundlegend ablehnen. Es ist nicht mangelndes (oder das falsche) Nationalgefühl, das sie dazu treibt, vielmehr können sie den Dienst an der Waffe nicht mit ihrem Gewissen vereinbaren.
So geht es auch Schriftsteller David Beale, dem seine pazifistische Haltung allerdings schlecht bekommt. Erst wird er bei seinem Antrag auf Kriegsdienstverweigerung provoziert, dann ins Gefängnis geworfen. Dort gehen die Beamten alles andere als zimperlich mit einem Mann um, den sie für einen Verräter an allen aufrechten Briten halten, die bereits ihr Leben in den Kampfhandlungen gelassen haben. Tags darauf ist Beale tot – Selbstmord, heißt es.

Nicht alle bedauern den Tod des jungen Mannes, in der Verantwortung sieht sich nicht einmal Richter Lawrence Gascoine, der den Vorsatz in der Verhandlung führte. Der Mann ist nicht wirklich ein Menschenfreund, sogar dem kleinen Jungen gegenüber, den er nur aufgenommen hat, um seiner Tochter einen Gefallen zu tun, verhält er sich ungeduldig und schlecht gelaunt. Das Kind ist eines der im großen Stil aus London evakuierten Mädchen und Jungen, die man aufs Land geschickt hat, um sie vor den Angriffen auf die Hauptstadt zu schützen.

Da der Richter sich auch bei zahlreichen anderen Menschen unbeliebt gemacht hat, ist es kein Wunder, dass er bedroht wird und sich alsbald schreckliche Dinge in seinem Heim ereignen. Und nicht nur dort, denn als Italien in den Krieg eintritt, ergeht es den entsprechenden Landsleuten nicht gut …

Wieder spielt also auch das tatsächliche Geschehen eine aktive Rolle in den Begleitumständen des Verbrechens. So geht es unter anderem auch um die geheime Produktion kriegswichtiger Dinge. Die Spannung bleibt hoch, die Entwicklung der verschiedenen Stränge ist faszinierend und logisch, die Auflösung unerwartet und packend.

„Adler Tag“ (OT: „Eagle Day“)
85 Luftangriffe, 14 kleinen Bomben, 12 Ölbrandbomben, 750 Brandbomben und 15 Flugbomben gingen im Krieg über das kleine Hastings nieder. Das kostete 154 Menschen ihr Leben, weitere rund 700 wurden verletzt, ebenso viele Gebäude komplett zerstört und 14.818 beschädigt. Soweit die Realität. Und auch in der Fiktion ist der Fund einer Leiche in einem kaputten Haus der Auslöser für Ermittlungen, die diesmal in das Reich der Kunst führen. Wie häufig in allen beteiligten Ländern geschehen, werden Kunstwerke an besonderen Orten gesichert, bevor der Feind bei der Invasion ihrer habhaft werden kann. Soweit der eine Handlungsstrang.
Auf privater Ebene herrscht zunächst große Freude: Sohn Andrew ist wieder zurück von seiner Fliegerausbildung und darf in der Nähe seiner Heimatstadt seine Pilotenkünste unter Beweis stellen. Seine tollkühnen und gekonnten Kapriolen bringen ihm direkt einen Einsatz in einer geheimen Einheit ein, die mit dem völlig neuen Frühwarnsystem „Radar“ arbeitet. Der gutaussehende, junge Mann freundet sich direkt mit einer der dort beschäftigten Technikerinnen an.

Doch dann gerät Andrew plötzlich erst physisch in Gefahr und dann unter einen seltsamen Verdacht. Foyle setzt alles daran, diesen zu entkräften – leider diesmal nur mit halbherziger Unterstützung seines Assistenten und seiner Fahrerin. Deren Vater ist nämlich angereist, um seine Tochter nach Hause zu holen, da er ihre Arbeit nicht wirklich als bedeutungsvoll einstuft.
Wie sich – natürlich – am Ende doch wieder alles fügt, ist durchgängig sehenswert und der krönende Abschluss einer vielversprechenden ersten Staffel, von der hoffentlich bald die nächsten auf dem deutschen Markt erhältlich sein werden.

 

Insgesamt acht Staffeln sind es, die zwischen 2002 und 2015 die BBC-Zuschauerinnen und Zuschauer begeisterten, die sich 2008 sogar erfolgreich gegen eine zunächst geplante Absetzung wehrten.

Diese war im Jahr zuvor verkündet worden, nach dem Ende der Dreharbeiten für die fünfte Staffel. Doch die Einschaltquote von 28 Prozent bei deren Ausstrahlung konnte auch der ITV-Programmdirektor nicht ignorieren.

 

 

2 Discs mit vier Folgen à 100 Minuten plus Bonusmaterial (Interview mit einem sehr jungen Anthony Horowitz, der unter anderem die Schwierigkeiten erklärt, die es bei den Dreharbeiten gibt, will man einen historischen Stoff in einer Kulisse realisieren, deren Fallstricke aus aktuellen Straßenschildern, Bussen und Satellitenschüsseln bestehen). Sprachen: Deutsch/Englisch + dt. UT. Edel Motion (ab 12 Jahre). ASIN: B0CHHHDNYG

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