Interview mit Katja Brandis

Katja Brandis (Foto: Erol Gurian)

Katja Brandis (Foto: Erol Gurian)

Wenn jemand sich mit vollem Körpereinsatz in seine Autorentätigkeit stürzt, dann ist es diese Frau!

Um möglichst wahrheitsgetreu berichten zu können, reist Katja Brandis zu den entlegensten Winkeln dieser Erde und scheut vor keiner Strapaze zurück.

Was sie dabei so alles erlebt hat und darüber, was Jo Nesbo mit „Vulkanjäger“ zu tun hat, gibt die Wahl-Bayerin im regen Mail-Austausch mit Michaela Pelz mitten aus der Antarktis zu Protokoll.

 

Liebe Katja Brandis, jetzt hätten wir ja sehr gern nochmal erfragt, wie es denn kam, dass Sie „Vulkanjäger“ schrieben – aber das haben Sie ja selbst so ausführlich, packend und witzig erläutert, dass es eine Sünde wäre, das nicht im Original zu lesen ;-)

Daher lieber die Frage:
Woher stammt Ihr Interesse an diesen stark outdoor-orientierten Themen (wie schon in „Ruf der Tiefe“ oder „Schatten des Dschungels„), bei denen die Natur eine ebenso prominente Rolle spielt wie die Protagonisten?

Das hat eine ganze Menge mit mir als Autorin zu tun – zu meinen Lieblingsbeschäftigungen gehört es, draußen in der Wildnis zu sein, Tiere zu beobachten und den Planeten, auf dem wir leben, besser kennenzulernen.
Und natürlich schreibe ich über das, was mir am Herzen liegt. Es macht mir einen Höllenspaß, für einen neuen Roman monate- oder jahrelang zu einem Thema zu recherchieren, das mich gerade beschäftigt und mich fasziniert.
Oft sind das Themen aus Naturwissenschaft und Forschung – obwohl ich etwas ganz anderes studiert habe, lese ich in der Zeitung immer noch als erstes die Wissenschafts-Seiten.

Was schätzen die Leserinnen und Leser an Themen, die einen ökologischen Hintergrund haben, besonders?

Es gibt zum Glück viele Jugendliche, die Tiere lieben, sich für die Natur und ihren Schutz interessieren – die sind natürlich als Leser und Leserinnen für mich optimal.
Im Vordergrund steht für mich immer eine spannende Story und interessante Figuren, aber ich bekomme oft Briefe von Jugendlichen, die sich zum Beispiel für den Schutz der Meere einsetzen, seit sie „Ruf der Tiefe“ gelesen haben, oder die fragen, was sie tun können, um den Regenwald zu erhalten, weil „Schatten des Dschungels“ sie erschüttert hat.
Klar, über solche Mails freue ich mich total!

Katja am Vulkan (Foto: privat)

Katja am Vulkan (Foto: privat)

Im oben verlinkten Bericht zur Entstehungsgeschichte des Romans schildern Sie Ihr Vorgehen bei der Recherche. Neben dem Lesen von Literatur zum Thema haben Sie auch „vor Ort“ recherchiert, indem Sie diverse italienische Vulkane bestiegen.
Waren Ihnen die anderen Handlungsorte im Buch zu weit weg, zu teuer oder zu gefährlich?

Nein, die anderen Handlungsorte habe ich zum Teil früher schon aufgesucht – zum Beispiel habe ich in Hawaii bei einem Ausbruch des Kilauea aus der Nähe beobachten können, wie Lava ins Meer floss, das war schon spektakulär.
Ein paar Kapitel des Romans spielen in Indonesien, dort wäre ich natürlich liebend gerne ebenfalls hinfahren, aber das hat zeitlich nicht hingehauen – deshalb habe ich zwei Vulkanologen interviewt, die sich speziell mit den indonesischen Vulkanen auskennen und mich durch Bücher und Filme über die Kultur informiert.
Wie sich Asien „anfühlt“, wusste ich schon ein bisschen durch meine Reisen nach Thailand, speziell Bangkok und die Dschungelgegenden.

Angenommen, Sie wären völlig frei in der Wahl Ihrer Recherchemittel: Was würde überwiegen – die Angst vor einer potentiell nicht ungefährlichen Situation (wie z.B. in diesem Fall mittels Hubschrauber einen Vulkanausbruch fast hautnah mitzuerleben) oder die Faszination, einmal genau dasselbe zu spüren, was Sie Ihre Protagonisten fühlen lassen?

Keine Frage. Wenn ich die Gelegenheit bekäme, in einen Hubschrauber zu steigen und mir einen Ausbruch von oben anzuschauen, wäre ich innerhalb von zwei Sekunden im Cockpit!
Das wäre auch ganz unabhängig vom Roman eine spannende Sache, und ich fliege sowieso wahnsinnig gerne in Hubschraubern mit.

Bei der Recherche-Reise nach Italien wurden Sie von Ihrer Familie begleitet – sind Mann und Sohn immer gleich Feuer und Flamme, wenn Mamas „Motto Urlaub für alle“ plant oder gibt es da Grenzen?

Der Vulkan-Motto-Urlaub kam sehr gut an, aber bei meiner neusten Recherchereise (in die Antarktis) musste ich die Familie leider daheim lassen – mein Sohn wäre natürlich liebend gerne mitgekommen, musste aber in die Schule (in die Antarktis kann man nur während des Südsommers, also vom November bis März), und mein Mann konnte sich nicht so recht dafür begeistern.
Außerdem war das ganze so teuer, dass es sowieso unerschwinglich gewesen wäre, zu dritt zu fahren. Mal schauen, wie die Stimmung in der Familie bei der nächsten Recherchereise ist…

Im Buch spielt die Vater-Sohn-Beziehung eine ganz zentrale Rolle. Die beiden haben sich jahrelang kaum gesehen, kennen sich praktisch nicht. Wie haben Sie sich diesem Aspekt des Romans genähert?

Zum Vater-Sohn-Thema hat mich das Leben von Maurice und Katia Krafft inspiriert – hätten diese beiden leidenschaftlichen Vulkanjäger Kinder gehabt, wären sie sicher ähnlich aufgewachsen wie Jan (nur mit dem Unterschied, dass beide Eltern ständig auf Feuerbergen unterwegs gewesen wären…).
Die Vater-Sohn-Geschichte hat mich sehr beschäftigt und ist für mich immer noch der Kern des Romans… was vielleicht daran liegt, dass ich täglich beobachte, wie mein Mann und mein Sohn miteinander umgehen (natürlich viel besser als Jan und André), und mich das natürlich beschäftigt. Es ist ja sehr unterschiedlich, wie viel Zeit und Energie Männer für ihre Kinder aufwenden.

Der Kernkonflikt zwischen den beiden Protagonisten ist ja vor allem die Leidenschaft des Vaters, die zunächst einmal mehr für ihn zählt als die Familie.
Wofür könnten Sie so sehr brennen, dass jegliche Rücksicht auf andere Menschen oder konventionelle Situationen/Bindungen (wie z.B. die Fürsorge für ein Kind/einen Partner) völlig gegenstandslos wird?

Keine Frage, ich brenne fürs Schreiben.
Aber wenn mein Sohn oder mein Mann mich wirklich brauchen, dann bin ich für sie da, dann müssen Manuskripte, Lesereisen, Termine eben zurückstehen. Wer oder was sollte denn wichtiger sein als die Menschen, die wir lieben und die uns lieben?
Aber danach kommen für mich gleich meine Bücher.

Warum ist das Buch im Jahr 2020 angesiedelt? So viele „futuristische“ Elemente waren nicht auszumachen … Könnte es nicht auch in der heutigen Zeit spielen?

Doch, das hätte ich auch machen können.
Forscher sind sich einig, dass der Vesuv in den nächsten Jahren ausbrechen könnte, „fällig“ wäre das. Also habe ich eben die nächsten Jahre gewählt :-)
Ich glaube übrigens nicht, dass sich in den sechs Jahren so furchtbar viel ändern wird, deshalb hätten zu viele futuristische Elemente unrealistisch gewirkt.

Katja mit Pinguinen (Foto: privat)

Katja mit Pinguinen (Foto: privat)

 

Sie lesen diese Fragen, während Sie sich „auf großer Fahrt“ befinden – wohin geht die Reise?

In die Antarktis – der Roman, den ich als nächstes schreibe, Arbeitstitel „White Zone“, wird dort spielen.
In den letzten Wochen habe ich nicht nur unglaublich viele Eisberge gesehen, sondern auch jede Menge Pinguine, Robben und Wale, ich bin ganz geplättet von all diesen Eindrücken. Nie hätte ich gedacht, dass es in dieser eisigen Gegend dermaßen von Leben wimmelt, und all diese Tiere haben keinerlei Angst vor den Menschen, sie sind bis auf Armeslänge an mich herangekommen (nicht umgekehrt, als Mensch sollte man ihre Privatsphäre respektieren).
Ich freue mich schon darauf, den Roman in den nächsten Monaten anzupacken – bis er erscheint, dauert es allerdings noch ein bisschen, im nächsten Frühjahr kommt erstmal „Floaters“, der fast komplett im Pazifik spielt.
Auch dafür war es ganz praktisch, dass ich stundenlang auf der Brücke der 89 Meter langen „Plancius“ herumlungern und die Offiziere bei der Arbeit beobachten durfte.

Was fehlt Ihnen noch in Ihrer Sammlung? Sie schrieben über das Meer, den Dschungel, die Berge (sogar mit Vulkanen drauf ;-), jetzt das ewige Eis ….
Bleiben noch Wüste und vielleicht die Luft … – oder doch etwas ganz anderes?

Wüste gerne, mir fehlt in der Romane sowieso noch ein Roman mit einem gelben Cover, Luft sowieso, ich hatte ja lange den Pilotenschein für Segelflugzeuge, aber nach „White Zone“ habe ich tatsächlich erstmal was ganz anderes geplant.
Das ist aber noch geheim und ohnehin nicht ganz spruchreif, ich warte noch auf die Zusage des Verlages.

Allerletzte Frage: Weiß Jo Nesbo eigentlich, dass er in Ihrem Roman verewigt wurde und was sagt er dazu? ;-)

Hihi, nein, ich glaube nicht, dass einen dermaßen berühmten Autor sowas interessiert, zumal er wahrscheinlich ohnehin kein Deutsch kann, also nie eine Zeile des Romans lesen wird.
Zumindest äußerlich ist er zum Vorbild für André Bendert geworden, nachdem ich sein Foto auf der Titelseite des „buchjournal“ gesehen hatte. Ich dachte sofort: „Hey, das ist doch André!“, und so wie er auf diesem Foto wirkte habe ich ihn eins zu eins im ersten Kapitel des Romans beschrieben und während des Schreibens im Kopf gehabt.

HERZLICHEN DANK FÜR DIESES GESPRÄCH!

Mit Katja Brandis mailte sehr gern und voller Bewunderung für den Ganzkörper-Einsatz im Dienst der Literatur (vor allem bei der Beschreibung der meterhohen Wellen in der Antarktis und dem daraus resultierenden Befinden der Schiffspassagiere) Chefredakteurin Michaela Pelz (März 2014)

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