Urlaubsfeeling und Landeskunde mit Tiefgang

 

Wie schon der unter anderem mit dem Stuttgarter Krimipreis 2021 ausgezeichnete Erstling von Catrin George Ponciano, ist auch der neue Titel der früheren Küchenchefin und heutigen Autorin, „Rache im Alentejo“ ein Genuss für Herz und Hirn.

Tief taucht man mit der unkonventionellen Heldin Dora Monteiroin ein in die wunderbaren Landschaften Portugals, die Seele und finsteren Geheimnisse seiner Bewohner sowie in eine Vergangenheit, von der viele nichts ahnten und andere nichts wissen wollten … Spannung pur und eine weitere herausragende Geschichtsstunde ganz ohne erhobenen Zeigefinger.

 

 

Catrin George Ponciano
Rache im Alentejo
Emons TB
ISBN 978-3-7408-1574-5

Der Sommer im portugiesischen Küstenort Carrasqueira ist perfekt, bis eines Nachts ein Toter in der einsamen Korkeiche hängt – dreißig Jahre nachdem dort ein Fischer angeblich Selbstmord beging. Dessen Sohn glaubte jedoch nie an Suizid. Als ihm nun unterstellt wird, seinen Vater gerächt zu haben, bittet er seine Jugendfreundin Dora Monteiro um Hilfe.
Die ehemalige Inspetora zögert nicht und stürzt sich in verdeckte Ermittlungen. Doch auf dem Dorf lastet eine alte Schuld, und Dora muss alles daransetzen, das Schweigen der Bewohner endlich zu brechen.

Rezension:
Feudalherren, vor denen die Belegschaft kuscht und auch die Familie.
Eine Vorstellung aus dem letzten oder vorletzten Jahrhundert? Nicht unbedingt im ländlichen Portugal, wenn man dem jüngsten ab der ersten Seite spannenden Titel von Catrin George Ponciano glaubt. Der darin skizzierte Patriarch ist nicht wirklich die Person, mit der man gerne die gleiche Luft atmen würde: Américo ist hart wie die Eiche, der er seinen Familiennamen verdankt, ein homophober, frauenfeindlicher Faschist, der sich nicht scheut, seinen erwachsenen Sohn zu ohrfeigen. Und doch ist es nicht etwa der Großgrundbesitzer, der die ersten Seiten des Buches nur um ein Weniges überlebt, sondern eben dieser Sohn, Gustavo, der dem Alten aber in nicht Vielem nachsteht.
So beginnt die Geschichte mit einer Phalanx männlicher Figuren, zu denen sich schnell noch ein offenbar ob seiner weichen Künstlerseele aus der Art geschlagener Enkel und eine weitere Person, diesmal außerhalb der Familie, dazugesellen. Der Letztere wiederum, Tomas, ein Meeresbiologe, spielt eine ausgesprochen wichtige Rolle im Leben von Dora, der Protagonistin schon im ersten, mit dem Stuttgarter Krimipreis ausgezeichneten Roman der deutschen Autorin Catrin George Ponciano, die seit 1999 ihren Lebensmittelpunkt in den sonnigen Süden verlegt hat.
Die Heldin ist immer noch eine kraftvolle weibliche Figur mit Locken bis über die Taille, hervorragendem Bauchgefühl und unerschütterlichem Gerechtigkeitssinn. Genau der hat allerdings verhindert, dass sie ihre Karriere bei der Polizei fortgesetzt hat. Denn sich auf Dauer zwischen obrigkeitshörigen Speichelleckern und aus Bequemlichkeit den politischen Erfordernissen beugenden Dienst-nach-Vorschrift-Pragmatikern zu bewegen, ist nicht ihr Stil. Darum verdient sie ihren Lebensunterhalt nun als Künstlerin.
Was die Ex-Inspetora allerdings nicht lassen kann, ist das Ermitteln, zumal der Hilferuf, ihn zu entlasten, von einem alten Freund ausgeht. So nimmt die Geschichte ihren Verlauf und bringt den Lesern wie bereits in „Leiser Tod in Lissabon“ auf faszinierende Weise ein gehöriges Stück Kultur nahe.
Dasselbe gilt für das Ambiente – die Landschaft, die Düfte, die Mentalität der Bewohnerinnen und Bewohner dieses wunderschönen Landstrichs. Selbst wenn man selbst noch nie dort war, ist die Atmosphäre so greifbar, dass man sofort den nächsten Flieger nach Lissabon besteigen möchte.
Dass auch aktuelle Bezüge eine Rolle spielen – mit Immobilienspekulanten, Bauprojekten im Naturschutzgebiet, Paradies für Meereslebewesen und Menschen, unheiligen Allianzen und einer generellen Ausbeutung derer, die ihre Stimme nicht laut genug erheben können – macht dieses Buch zusätzlich besonders lesenswert.
Spannend und hochgradig unappetitlich zugleich ist das Vorgehen korrupter Autoritäten, sind die Ereignisse, die weit in die politische Vergangenheit der Diktatur und Geheimpolizei zurückreichen und noch heute ihre schrecklichen Schatten werfen. Wunderbar auf der anderen Seite ist der Ozean mit türkisfarbenem Wasser und dieser gutaussehende Gutsverwalter, der plötzlich auftaucht und den man sich verzweifelt als einen der „Guten“ wünscht. Manche alten Allianzen werden in Frage gestellt oder erscheinen nun in neuem Licht. Andere Bande halten auch unerwarteter Belastung stand oder erweisen sich langfristig stärker als die verursachten Verletzungen.
Wie schon im ersten Band ist das Ende unerwartet, tragisch und traurig zugleich. Es sind leider viel zu viele Verlierer im Spiel. Gut nur, dass die Gewissheit bleibt, dass es Wege zur Versöhnung gibt und dass das köstliche Essen, die Liebe und die auch die unergründlichen Kolkraben am Ende noch da sind.
Miss Sophie

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