Interview mit Reinhard Jahn

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Reinhard Jahn / H.-P. Karr (Foto: Carina Faust)

Dieser Mann ist eine wandelnde Enzyklopädie. Was der, wie er sich selbst nennt, „Betreuer des Lexikons der deutschen Krimi-Autoren im Internet“ krimitechnisch nicht weiß, kann und muss man nicht wissen. Der Essener ist ein Hans-Dampf-auf-allen-Kanälen und maximal multimedial unterwegs: Im Netz, Hörfunk, Live on Stage und natürlich mit seinen zahlreichen Publikationen. Als Organisator des Deutschen Krimi Preises jagt er aktuell säumigen Juroren hinterher.
Optimaler Zeitpunkt also für ein Interview.

Das alte Jahr ist fast am Ende – Sie auch?

In jedem Ende wohnt ja auch ein Anfang – das heißt: Pläne machen, was geschrieben werden muss und geschrieben werden will. Also etwa eine Kurzgeschichte für eine Allgäu-Anthologie oder vielleicht ein kleiner heiterer Roman, für den es einen interessierten Verlag gibt.

Scheint tatsächlich, dass Sie noch fit sind wie ein Turnschuh.
Dabei wäre das Gegenteil alles andere als ein Wunder … kaum ist die letzte Ausgabe der Mordsberatung vorbei (am 20.12. ging es dort um den Schwerpunkt „Polit-Thriller“), heißt es für Sie schon, die Jury-Wertungen für den Deutscher Krimi Preis 2015 „einzutreiben“.
Ganz abgesehen davon, dass Sie allwöchentlich für die Fans den Sonntags-Tatort benoten, immer wieder beliebte Buch-Ranking-Listen erstellen und sowohl auf Facebook als auch in ihren diversen Blogs nicht nur kundige Urteile über aktuelle Kriminalromane abgeben, sondern auch bemerkenswerte Werke der Vergangenheit vor dem Vergessen bewahren…
Wie lässt sich das alles bewältigen (und womöglich noch die Ausstrahlung eines Jerry-Cotton Films im Fernsehen nicht verpassen?

Also den Cotton-Film mit Christian Tramitz habe ich natürlich schon damals im Kino gesehen, da muss ich mir keinen Stress machen. Und der nächste Tatort kommt erst am Sonntag. Die „Nachtkritik“ zur jeweils aktuellen Folge, die ich dann meist gegen 22 Uhr ins Netz stelle, ist eine liebe Angewohnheit, eine Arbeit, die ich gerne mache.
Die anderen Dinge sind entweder Pflicht (Eintreiben der Jury-Stimmen zum Deutschen Krimipreis 2015) oder die Kür (mal ein kleines Krimi-Ranking zwischendurch). Krimi ist mein Beruf (und meine Berufung), deshalb ist es auch eine befriedigende Arbeit. Genau wie mein Zahnarzt gerne Zähne zieht, beschäftige ich mich gern mit Krimi. (Nur verdiene ich, glaube ich, nicht ganz so viel wie mein Zahnarzt).

Was macht den Reiz der unterschiedlichen Aufgaben aus und wo liegen jeweils die Herausforderungen?
– Radio-Ratgebersendung vor Live-Publikum und mit zugeschalteten Hörer- und Internet-User-Fragen?
– Organisation und Durchführung der Vergabe des ältesten deutschen Kritiker-Krimipreises?
– Ständig wiederkehrende kritische Auseinandersetzung mit der heiligen deutschen Fernseh-Kuh, dem Tatort – ungeachtet der jeweiligen regionalen Provenienz?
– Aneignung des notwendigen enzyklopädischen Wissens, um praktisch jedes Thema als Krimi-Ranking darstellen zu können?
– Liebevolle Aufbereitung uralter Krimi-Schätzchen, bei denen nicht nur Rechtschreibung und Anglizismen aus einem fernen Jahrtausend stammen …?

Die „Radio-Ratgebersendung“, wie Sie die „Telefonische Mordsberatung“ nennen, ist immer spannend, weil sie sich erstens mit aktuellen Krimis befasst und zweitens den direkten Kontakt mit den Kollegen im Studio und den Hörern, bzw. manchmal auch dem Publikum vor Ort bringt.

Die Organisation des Deutschen Krimi-Preises ist in der Tat zum großen Teil Organisation. Verzogene Juroren aufspüren. Stimmzettel verschicken, Stimmen eintreiben, auszählen. Und dann der Welt sagen, was herausgekommen ist. Interessant ist, wie die Jury in ihrer Gesamtheit stets inhaltliche Strömungen im Genre erfasst und bewertet.

Zum Tatort sage ich jetzt nichts mehr – und die kleinen Krimi-Rankings und die Hebung von Krimi-Schätzchen sind ein bisschen Geschichtsschreibung für das Genre. Zum Vergnügen der interessierten Leser und auch der jungen Autorenkollegen. Da muss ich nur mal kurz ins Krimi-Archiv gehen und wenn ich wieder rauskomme, habe ich einen Stapel Bücher für ein Ranking oder für die „Schätzchen“-Ecke.

Bei diesem Pensum sollte man denken, dass Sie sich 48 Stunden am Tag zwischen Ihren diversen Arbeitsutensilien vergraben und Ihr Heim nur für den notwendigen Nachschub an Wasser und Brot verlassen…
Ist dem so oder wo kann man Sie live und in Farbe antreffen?

Ich habe nicht das Gefühl, dass ich zu viel arbeite.
Gelegentlich sieht man mich auch draußen. Bei Krimifestivals oder wenn ich Lesungen von Kollegen und Kolleginnen hier im Ruhrgebiet besuche. Ober beim Krimi-Stammtisch in Essen.

Für alle Fans, die keine Gelegenheit haben, Sie bei einer Diskussion, Moderation oder einem Vortrag zu erleben – welche „Block“- oder Facebook-Adresse empfehlen Sie?

Mein Blog ist ja kein echter Blog sondern eher mein online ausgelagertes Archiv von kleineren Texten, die ich für diverse Gelegenheiten geschrieben habe. Es ist grauenhaft gestaltet und es gibt keine Bilder: www.krimiblog.blogspot.com .

Das kriminelle Tagesgeschäft wie etwa die Tatort-Kritiken oder die Krimi-Schätzchen (da gibt es dann auch Bilder!) läuft auf facebook:
www.facebook.com/krimijahn
Interessenten können das „abonnieren“.

Und für den kriminellen Hintergrund ist das Lexikon der deutschen Krimi-Autoren da:
www.krimilexikon.de

Und für den Deutschen Krimipreis:
www.deutscher-krimipreis.de

Gerüchten zufolge kann man sich bei Ihnen auch ganz individuell beraten lassen – in Sachen Roman, Film oder Serie …
Was rät der Chef hier heute?

Der Chef empfielt heute als Vorspeise eine heitere Kurzgeschichte von Tatjana Kruse aus „Klappe zu, Gatte tot“.
Als Hauptgericht einen veritablen Thriller, etwa von Oliver Bottini („Ein paar Tage Licht“) oder hervorragende amerikanische Kost von James Lee Burke („Regengötter“).
Als Dessert regionale Spezialitäten – „Endstation Allgäu“ von Arnold Küsters, „Die Abtaucher“ von Thomas Schweres und „Krabbenbrot und Seemannstod“ von Cornelia Kuhnert und Christiane Franke.
Dazu empfiehlt unser Sommelier einen Weinkrimi von Carsten Sebastian Henn oder Paul Grote.
Und später dann an der Bar in angenehmer Gesellschaft einen Wodka Martini. Geschüttelt, nicht… Sie wissen schon…

Solcherart rundherum gesättigt bleibt nur noch die Frage:
Was gilt es, 2015 in Sachen Krimi keinesfalls zu verpassen?

Die sach- und fachkundigen Krimikritiken von Miss Sophie im krimi-forum.de. Da werden Sie immer spannende Leseempfehlungen finden.
War’s das jetzt?

Ja, ich denke schon.

Alles klar. Wo soll ich unterschreiben?
Ende

Danke auch!

Da dieser Mann niemals schläft, mailte mit Reinhard Jahn des nächtens Chefredakteurin Michaela Pelz.

Eine Antwort zu “Interview mit Reinhard Jahn”

  1. Sichtschutz

    Ich habe gerade das Interview mit Reinhard Jahn aus dem Dezember 2014 gelesen und wollte mich bei euch für diese spannende Unterhaltung bedanken! Es ist immer wieder aufregend zu erfahren, wie Krimiautorinnen und -autoren ihre Geschichten entwickeln und welche Inspirationen hinter ihren Werken stehen.

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